Richtlinien für die Transkription der deutschen Texte Edvard Munchs

Sibylle Söring, Christian Janss

Die Transkriptionsrichtlinien für Munchs deutsche Texte folgen in der Regel den generellen Richtlinien. Hauptprinzip ist die diplomatische Transkription, wo sie eindeutig möglich ist, sowie eine sympathische (wohlwollende) Transkription dort, wo eine Deutung des Textes schwierig bleibt. Wie schon für Munchs französischsprachige Texte gilt, so sind auch seine deutschen Texte geprägt durch eine sehr variable und oft undeutliche Handschrift sowie durch eine Vielzahl orthographischer, grammatikalischer und syntaktischer Fehler. Ausgehend von der grundsätzlichen Verständlichkeit der Texte war es Ziel der Transkription, Munchs sprachliche und stilistische Besonder- und Eigenheiten in den deutschen Texten zu bewahren, und die sympathische Transkription auf ein Minimum zu begrenzen.

Dabei folgen die Transkripionsrichtlinien dem bereits im Munch-Schiefler-Briefwechsel (Munch 1987-1990) formulierten Grundsatz, ”[...] Edvard Munchs deutsche Sprachform und Rechtschreibung [...] original und ohne Korrekturen [zu] belassen” (a.a.O. S. 25). Beispiele und Abweichungen werden im Folgenden skizziert.

s und scharfes s (ss, ß, sz und zs)

MM N 3341, S. 2

-sz. MM N 3341, S. 2

MM N 3341, S. 3

-zs. MM N 3341, S. 3

MM T 2703, Bl. 8r

z + langes Kurrent-s. MM N 2703, Bl. 8r

Das scharfe ”s” oder Ess-zett, in der heutigen Rechtschreibung mit dem Buchstaben ”ß” wiedergegeben, verwendet Munch in weiten Teilen uneinheitlich, nämlich sowohl als Doppel-”s” (”ss”) mit lateinischem oder langem Kurrent-Schluß-”s”, als auch als ”sz”, wie es zu Munchs Lebzeiten vornehmlich in gedruckter Schrift gebraucht wurde, wo die Letter ”ß” als Schrifttype fehlte, etwa in Telegrammen. Häufig verwendet Munch zudem den (fehlerhaften) Buchstabendreher ”zs” für das scharfe ”s” oder Ess-zett. Auf der Grundlage einer diplomatischen Wiedergabe werden in der Transkription sowohl ”ss”, ”sz” als auch das fehlerhafte ”zs” beibehalten. In der Form des Doppel-”s” (”ss”) werden die Varianten lateinisches oder Kurrent-Schluß-”s” nicht gesondert gekennzeichnet.

Die Transkription unterscheidet nicht zwischen lateinischem und Kurrent-”s”, sämtliche Vorkommen von Kurrent-Schrift werden normalisiert.

Munchs häufiger Gebrauch eines ”z” anstelle des richtigen ”s” (Beispiele: alz, alzo = als, also) wird, da er das Leseverständnis nicht beeinträchtigt, in der Transkription beibehalten.

Fehlende diakritische Zeichen

Umlautzeichen (Trema)

Eine charakteristische Besonderheit der deutschsprachigen Texte Munchs ist das Fehlen von Umlautzeichen. Vielfach stehen hier ”a”, ”o” oder ”u” anstatt richtig ”ä”, ”ö” oder ”ü”. Die Herausgeber des Munch-Schiefler-Briefwechsels transkribieren hier – in Abweichung vom Grundsatz der diplomatischen Wiedergabe – sympathisch, indem, so die Argumentation, zugunsten der Lesefreundlichkeit die fehlenden Umlautzeichen ergänzt werden:

[...] Charakteristisch für Munch ist, daß er sozusagen nie den Umlaut markiert. Da dies zu unnötigen Problemen hinsichtlich der Lesbarkeit dieser Publikation führen würde, ist überall der Umlaut richtig gekennzeichnet worden. (a.a.O., Bd. I, S .34 und Bd. II, S. 25)1

Im Gegensatz hierzu folgt eMunch auch in diesem Fall der diplomatischen Wiedergabe – zuvorderst, da die Prioritierung einer der zahlreichen orthographischen Fehlerarten Munchs vor einer beliebigen anderen schlechterdings nicht zu rechtfertigen ist. Eine Berichtigung solcher – oder sogar sämtlicher – orthographischer Fehler würde einen beträchtlichen Eingriff in einen Text vorstellen, dessen Bedeutung grundsätzlich auch ohne Korrektur verständlich bleibt. Darüber hinaus würde eine sympathische Transkription hier das Risiko der Fehldeutung beinhalten: So kann in den meisten Fällen der Entscheid, ob Umlautzeichen aufgrund von Nachlässigkeit oder aber aufgrund einer absichtlichen Unentschiedenheit ausgelassen werden – nämlich um die grammatikalische Unsicherheit zu überdecken –, nicht eindeutig getroffen werden. Nicht zuletzt würden umfassende Emendationen und Konjekturen aber auch die Entwicklung von Munchs spezifischem deutschen Sprachgebrauch über rund 50 Jahre unsichtbar werden lassen. Auch hinsichtlich der Umlautzeichen zieht eMunch daher die Wiedergabe von Munchs sprachlichen Eigen- und Besonderheiten einer nur vermeintlichen Verbesserung der Lesefreundlichkeit vor. Die Buchstaben ”a”, ”o” und ”u”, wo sie vermutlich für ”ä”, ”ö” und ”ü” stehen, werden daher diplomatisch wiedergegeben.

Buchstabe «i»

Der Buchstabe ”i” ohne diakritisches Zeichen wird durchgängig als ”i” transkribiert.

Bestimmte Artikel

MM N 2508, Bl. 1v

Beispiel für einen mehrdeutig lesbaren bestimmten Artikel: «der Gravuren» oder «die Gravuren». MM N 2508, Bl. 1v

Sind bestimmte Artikel (der, die, das, dem, den) schwer lesbar oder unlesbar, werden sie in ihrer grammatikalisch korrekten Form wiedergegeben. Häufig setzt Munch anstelle der letzten Buchstaben eines bestimmten Artikels lediglich einen Strich, eine Schleife oder einen Haken, der seinerseits für mehrere verschiedene Buchstaben (”e”, ”r”, ”n”) verwendet wird. Da derartige Fehler nicht einheitlich nachgewiesen werden können, sondern in der Schreibweise sowohl innerhalb eines einzelnen Briefes als auch über bestimmte Zeiträume variieren, wird in solchen Fällen sympathisch transkribiert.

Wörter endend auf «e», «r» oder «n»

Wie für die bestimmten Artikel gültig, so sind auch Pluralendungen von Substantiven oder Personalpronomen sowie Genitivendungen (”Ihres Briefes”) häufig schwer lesbar oder unlesbar. In diesen Fällen erfolgt die Transkription sympathisch, indem das betreffende Wort in seiner grammatikalisch korrekten Form wiedergegeben wird.

Phonetische Schreibweisen

Im Gegensatz zu Munchs norwegischen und französischen Texten finden sich in Munchs deutschen Briefen naturgemäß kaum phonetisierende Schreibweisen. Werden im Deutschen sämtliche Buchstaben eines Wortes ausgesprochen, wird etwa in der Aussprache des Norwegischen der Buchstabe ”g” bei auf ”-ig” endenden Adjektiven und der Buchstabe ”t” bei auf ”-et” endenden Verb- oder Substantivformen verschluckt, ebenso wie im Französischen z.B. der letzte Buchstabe bei auf ”-er”, ”-es” oder ”-ez” endenden Verbformen unausgesprochen bleibt. Einzige Ausnahme in Munchs deutschen Texten ist die Übernahme des phonetischen ”-ich” aus dem gesprochenen Deutsch für auf ”-ig” endende Adjektive wie ”wichtig” oder ”würdig”, anstelle derer Munch fast durchgängig ”wichtich” und ”würdich” schreibt.

Vorkommen deutscher Wörter in norwegischem Text

Deutsche Einzelwörter und deutsche Namen in ansonsten norwegischem Text werden hinsichtlich der Transkription wie norwegische Texte behandelt. Siehe Richtlinien für norwegische Texte.

Deutsche Zitate in ansonsten norwegischsprachigen Briefen werden hinsichtlich ihrer Transkription wie deutsche Texte behandelt, es gelten die hier vorliegenden Richtlinien.

Vorkommen norwegischer Wörter in deutschsprachigem Text

Norwegische Einzelwörter und Namen in ansonsten deutschsprachigem Text werden hinsichtlich ihrer Transkription wie deutscher Text behandelt. So wird etwa ”Skoien” oder ”Sköien” nicht zu ”Skøien” berichtigt.

1 Konsequent ist diesem Prinzip indessen nicht gefolgt worden. So bleiben etwa in Bd. II (a.a.O.) unkorrigiert u.a. "starker" anstatt "stärker", "Gruzse" anstatt "Grüzse" (S. 49, Brief 664); "ungefahr" anstatt "ungefähr", "Gruzse" anstatt "Grüzse" (S. 50, Brief 665); "ausgewahlten" anstatt "ausgewählten" (S. 55, Brief 673); "Nervensch(w)achen" anstatt "Nervensch(w)ächen" (S. 60, Brief 677); "Wunschen" anstatt "Wünschen" und schließlich "ware schon" anstatt "wäre schön" (S. 84, Brief 701).